Reinhold Würth: "Die Frage ist doch, was die Reichen mit ihrem Geld machen" (2024)

Der Unternehmer Reinhold Würth wurde mit Schrauben zum Milliardär und ist einer der reichsten Menschen der Welt. Höhere Steuern für Reiche hält er für reinen Populismus.

Interview: Philip Faigle und David Hugendick

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Dieses Interview ist Teil des ZEIT-ONLINE-Schwerpunktes "Die Vermögenden" aus unserem Ressort X. Eine Auswahl weiterer Schwerpunkte finden Sie hier.

ReinholdWürth ist einer der reichsten Menschen Deutschlands und laut dem Magazin "Forbes" einer der 200 Reichsten weltweit. In den Fünfzigerjahren übernahm er das Schraubengeschäftseines Vaters und baute es zu einem Milliardenkonzern auf, mit mehr als 78.000Mitarbeitern. Heute ist Würth 85 Jahre alt.Sein geschätztes Vermögen: 13,8 Milliarden Euro. Zum Videogesprächerscheint er in seiner Firmenzentrale in Künzelsau im Anzug, mit Krawatte undroten Hosenträgern. Im Hintergrund macht eine Pressesprecherin Notizen.

ZEIT ONLINE: Herr Würth, Deutschland hat eine der ungleichsten Vermögensverteilungenin Europa. Sehr wenige Menschen besitzen so viel Vermögen wie Sie. Und sehrviele Menschen – fast die Hälfte der Bevölkerung – besitzt fast gar keinVermögen. Finden Sie das gerecht?

Reinhold Würth: Das kommt sehr auf den Standpunkt an. Wenn ich Sozialpolitiker bin,äußere ich mich dazu anders, als wenn ich im Wirtschaftsleben tätig bin.

ZEIT ONLINE: Wir fragen Sie, den Unternehmer und Milliardär.

Würth: Dasind zwei Seelen in meiner Brust. Auf der einen Seite sehe ich einen gewaltigenUnterschied zwischen Arm und Reich. Auf der anderen Seite haben wir nun maldieses System des Kapitalismus gewählt und bisher kein besseres gefunden.Zwischenzeitlich dachten manche, der Kommunismus sei ein besseres System, wares aber nicht. Ob es ein drittes System gibt, ob ein noch klügerer Marx oderEngels etwas Besseres erfinden kann, wissen wir heute nicht.

ZEIT ONLINE: Wir dachten gar nicht an einen Systemwechsel. Uns interessiert nur, obdiese ungleiche Vermögensverteilung Ihren Gerechtigkeitssinn verletzt.

Würth: Ichwill mal aus meiner kaufmännischen Position sprechen. Ich habe im vergangenenJahr mein 70. Arbeitsjahr vollendet, ich bin jetzt 85 Jahre alt. Ich habedieses Unternehmen, das mein Vater 1945 gegründet hat, mit 19 Jahrenübernommen. Damals hatten wir zwei Mitarbeiter. Inzwischen haben wir weltweit 78.000Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und haben 2019 14,3 Milliarden Euro Umsatz gemacht.Das habe ich nicht allein gemacht, klar. Aber es ist schon eine Frage, ob dasso geworden wäre, wenn ich nicht da gewesen wäre.

ZEIT ONLINE: Sie haben sich Ihr Vermögen verdient?

Würth: Zumindestkann ich sagen, ich habe malocht wie selten ein Mensch. Und gestern Abend habeich noch dagesessen und bis um elf Uhr diktiert. In meinem Fall ist nichts vonallein gekommen. Und das Geld, das in diesem Unternehmen verdient worden ist,wurde ja nicht verprasst oder verplempert. Damit sind 78.000 Arbeitsplätzegeschaffen worden. Wenn der Staat die gleiche Zahl an Arbeitsplätzen hätteschaffen wollen, hätte er die vier- oder fünffache Summe aufbringen müssen.Wenn er es überhaupt fertiggebracht hätte.

ZEIT ONLINE: Ihr unternehmerischer Erfolg ist unbestritten. Dennoch beruht ja nichtjedes Vermögen in Deutschland auf selbst erbrachter Leistung.

Würth: Dasstimmt, und natürlich kann man da so manches hinterfragen. Aber ich warne Siegleich: Absolute Gerechtigkeit werden wir hier auf der Erde nie bekommen. Fürmich ist eine andere Frage viel wichtiger: Was machen die Reichen, die vielGeld besitzen, damit? Wenn sie es so einsetzen, wie es unser Grundgesetzvorsieht, nämlich nach Artikel 14, die soziale Verpflichtung des Eigentums,dann habe ich überhaupt kein Problem, dass es diese Mega-Reichen gibt.

ZEIT ONLINE: In Artikel 14 heißt es: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch sollzugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen." Verpflichtet Eigentum tatsächlichzu etwas?

Würth: Natürlichverpflichtet Reichtum. Meine Frau betreibt seit Jahrzehnten gemeinsam mit Menschenmit Behinderung zusammen das Hotel-Restaurant Anne-Sophie in Künzelsau. Wirunterhalten auch zwei Schulen und vergeben Stipendien für nicht so gutBemittelte. Wir haben viele Aktivitäten in der Kunst, in der Kultur.

ZEIT ONLINE: Finden Sie, dass auch andere Vermögende in Deutschland dieserVerpflichtung nachkommen?

Würth: Ichwill da nur für mich sprechen. Und mein Punkt ist, dass diese Frage von Armutund Reichtum viele Facetten hat. Man kann nicht nur auf die Statistik schauen.Man muss auch die Hintergründe sehen. Wer hätte diese 78.000 Arbeitsplätzegeschaffen, wenn wir nicht die 5,6 Milliarden Eigenmittel aus dem Unternehmen eingesetzthätten? Insofern kann man schon sagen, dass dieses Geld halb öffentlichverwendet wurde: für die Schaffung öffentlicher Sicherheit und Ruhe, dieSchaffung sicherer Existenzen und Familienverhältnisse. Außerdem zahlen imMoment das oberste Prozent der Bevölkerung rund 20 Prozent der Einkommenssteuerin Deutschland. Die Reichen finanzieren also zu einem großen Teil den Staatmit. Man könnte fragen: Was ist daran ungerecht? Ich sehe aber auch, dass esschon darauf ankommt, wie die Reichen auftreten. Und ich sehe es als meinewichtigste Aufgabe an, die Arroganz von meinem Unternehmen fernzuhalten.

Reinhold Würth: "Die Frage ist doch, was die Reichen mit ihrem Geld machen" (2024)
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Author: Van Hayes

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